Sind Bewerbungen von Personen über 50 für die Füchse?

Wer sich in unserer Arbeitswelt um einen Job bewirbt und über 50 ist, hat immer mal wieder den Verdacht, dass "künstliche Intelligenz" und gewisse Algorithmen diese Altersgruppe automatisch aussortiert und vom Bewerbungsprozess ausschliesst. Die Bewerbungen von älteren Semestern also quasi "für die Füchse" sind.
Dieses persönliches Erlebnis erhärtete jetzt den Verdacht bei mir, dass dem wirklich so ist...

Bild Fuchs in Wiese, fotografiert von Matthias Horber, St. Gallen

Vor kurzem hatte ich mich bei einem namhaften Unternehmen (dessen Name mir soeben entfallen ist) auf einen Job beworben. Das Anforderungsprofil entsprach exakt meinem Werdegang und auch mit den eingereichten Beispielarbeiten konnte ich belegen, dass ich von der Materie etwas verstehe.

 

Bereits sieben Tage nach Übermittlung meiner umfassenden Unterlagen erhielt ich von der HR-Abteilung der betreffenden Firma leider diese Absage (kursive, blaue Texte sind Originalzitate):


Sehr geehrter Herr Horber
Danke für Ihr Interesse, als XXXXXXX in unserem Unternehmen tatkräftig mitzuwirken.
Wir haben viele und gute Bewerbungen erhalten, was uns natürlich sehr freut. Ihre Unterlagen haben wir ebenfalls mit grossem Interesse gelesen.
Sie bringen gute Qualifikationen und Erfahrungen mit. Nach genauer Prüfung aller eingegangenen Bewerbungen haben wir nun eine Entscheidung getroffen und müssen Ihnen leider einen negativen Bescheid geben. Es haben sich Kandidat*innen beworben, die den speziellen Anforderungen dieser Stelle noch besser entsprechen.

Vielen Dank für Ihre Bewerbung und die Zeit, die Sie sich dafür genommen haben. Wir wissen Ihre Bemühungen zu schätzen. Gleichzeitig wünschen wir Ihnen viel Erfolg bei der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung.

 

Alles klar, dachte ich mir, denn solche Absagen kennen wir. Und natürlich gibt es immer Bewerbende, welche exakt noch das kleine Quentchen mehr mitbringen. Dann aber die Überraschung...

4 Wochen später...

Knapp einen Monat später entdecke ich auf einem Netzwerkportal, dass die gleiche Firma praktisch das identische Inserat erneut publiziert. Auf meine Nachfrage (und mit Hinweis auf obige Absage), ob es sich um den gleichen Job handelt, bekomme ich von der bereits bekannten "Leiterin Human Resources" diese Auskunft:

Vielen Dank für die Nachfrage. Es ist dieselbe Vakanz. Wir haben noch keinen passenden Kandidaten gefunden.

 

😳 WIE BITTE???

Nachdem vier Wochen vorher das Unternehmen viele und gute Bewerbungen erhalten hat und sich Kandidat*innen beworben haben, die den speziellen Anforderungen dieser Stelle noch besser entsprechen haben, hat die Firma jetzt also noch keinen passenden Kandidaten gefunden????? 🙄 Sorry, aber viel unglaubwürdiger und kommunikativ ungeschickter, kann man wohl nicht nach Fachkräften suchen!

 

Seid doch endlich ehrlich, liebe HR-Leute und Politiker!

Liebe HR-Leute, seid doch endlich ehrlich und gebt zu, dass Eure Firma grundsätzlich keine Personen über 50 Jahre einstellt. Aber hört dann auch mit dem Jammern über Fachkräftemangel auf. Denn wenn unsere Erfahrung nicht gefragt ist, kommt Ihr aus dieser Spirale nie raus.


Und an die Politik appelliere ich, endlich die überdimensionalen Lohnnebenkosten zu plafonieren, damit auch ältere Arbeitnehmende wieder in die Budgetvorstellungen von Schweizer Unternehmen passen. Und ihre (von der Politik in PR-Konferenzen so gerne positiv erwähnten) wertvollen Erfahrungen für unsere Wirtschaft einsetzen können!

 

Ansonsten ist nicht nur diese Fachkraftsuche, sondern auch der ganze Arbeitsmarkt Schweiz bald für die Füchse! 🦊